In seinem Vortrag am 23. November 2012 führte Martin Walser seine Reflexionen über Rechtfertigung fort, die er ein Jahr zuvor auf Einladung der Harvard University gehalten hatte. Die Vorlesung wurde eingeleitet von dem Rechtswissenschaftler Dieter Simon, Präsident des IWM. „Ich habe mein Leben als Schriftsteller auch im Reizklima des Rechthabenmüssens verbracht. Und habe erlebt, dass die ablenkungsstärkste Art des Rechthabens die moralische ist. Den Eindruck erwecken müssen, man sei der bessere Mensch. Wer diesen Eindruck einmal hat von sich, dessen Gewissen ist domestiziert. In unseren heutigen Literaturen kommen Fälle von gravierendem Rechtfertigungsmangel nicht mehr vor. Rechtzuhaben genügt zur Rechtfertigung.“ (Martin Walser, in: FAZ, 20.11.2011)
Martin Walser, Jahrgang 1927, zählt zu den wichtigsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren. Als streitbarer Beobachter, Chronist und Kritiker begleitet er seit über fünf Jahrzehnten die Wege und Irrwege unserer Gesellschaft.
Er studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte in Regensburg und Tübingen und promovierte zu Franz Kafka.
Walser schrieb mehr als 20 Romane sowie zahlreiche Novellen, Theaterstücke und Essays. 1998 wurde ihm der Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen.
Zuletzt erschienen:
Das dreizehnte Kapitel, 2012
Meine Lebensreisen, 2012
Über Rechtfertigung, eine Versuchung, 2012
Muttersohn, 2011
Ein liebender Mann, 2008
Seit seiner Gründung widmet sich das IWM dem Werk des tschechischen Philosophen und Bürgerrechtlers Jan Patocka (1907–1977) und veranstaltet seit 1987 regelmäßig eine Vorlesung zu seinem Gedächtnis. Eine Auswahl erscheint im Wiener Passagen Verlag.