Sein Geschichtswerk „Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts“ wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt. Spätestens seit seiner Festansprache zum 60. Geburtstag der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ist Jürgen Osterhammel weit über die Grenzen der Wissenschaft hinaus bekannt. Am 4. Dezember war er auf Einladung des IWM und des Renner Instituts zu Gast in Wien. In der Patočka Memorial Lecture 2014 sprach er über Protektion im Zeitalter der Imperien und danach.
„Alle Geschichte neigt dazu, Weltgeschichte zu sein“ – mit diesen Worten beginnt Jürgen Osterhammel sein 2009 erschienenes Opus Magnum „Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts“, das von Kritikern und Wissenschaftskollegen gleichermaßen gelobt wurde. Es sei ein „Meilenstein deutscher Geschichtsschreibung“ (Die Zeit), „ein intellektuelles Feuerwerk“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung), ein „großes Buch“ (Die Welt), das „die angeblich unüberwindbaren Unterschiede zwischen den Kontinenten und Kulturen schrumpfen lässt“ (Neue Züricher Zeitung). Für seine mehr als 1500 Seiten umfassende Globalgeschichte, die nationale Grenzen und Zeithorizonte überschreitet, erhielt er zahlreiche Auszeichnungen: den NDR-Sachbuchpreis (2009), den Leibnizpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2010), den Gerda Henkel Forschungspreis (2012) sowie den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (2014). Obwohl die gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen im Europa des 19. Jahrhunderts den Ausgangspunkt seiner historischen Zeitreise bilden, geht es Osterhammel in erster Linie um das Aufzeigen globaler Zusammenhänge sowie den Blick über den eurozentrischen Tellerrand.
Schutz, Macht und Verantwortung
In der diesjährigen Jan Patočka Gedächtnisvorlesung am 4. Dezember im Wien Museum setzte sich Jürgen Osterhammel mit einer der widersprüchlichsten Kategorien im Vokabular der internationalen Politik auseinander – dem Schutzbegriff. Dieser erlebte im 20. Jahrhundert eine tiefgreifende Umdeutung. Imperien haben ihre machtpolitische Expansion immer wieder als Schutzherrschaft über „zivilisierungsbedürftige“ Andere gerechtfertigt, so Osterhammel. Heute erkennt die Staatengemeinschaft eine „Schutzverantwortung“ (responsibility to protect) an. Der Vortrag beschrieb und kommentierte diesen Wandel des Protektionsgedankens in historischer Perspektive.
Jürgen Osterhammel, 1952 in Wipperfürth (Nordrhein-Westfalen) geboren, studierte Geschichte, Politikwissenschaften, Germanistik und Philosophie in Marburg und an der London School of Economics. Seit 1999 ist er Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Konstanz. Von 1996 bis 1997 arbeitete Osterhammel als Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, bevor er bis 1999 den Lehrstuhl für Geschichte der internationalen Beziehungen am Institut Universitaire des Hautes Études Internationales in Genf innehatte. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u.a. die europäische und asiatische Geschichte seit dem 18. Jahrhundert, die Geschichte der interkulturellen Beziehungen und Wahrnehmungen, sowie Global History in Theorie und Praxis.
In Kooperation mit dem Karl-Renner Institut