Das Wiedererwachen des Rechtspopulismus ist ein Phänomen, das nicht nur einen oder einige wenige europäische Staaten betrifft. Antiliberale Parteien der äußersten Rechten befinden sich überall in Europa auf dem Vormarsch, ob in Skandinavien (Fortschrittsparteien) oder in Italien (Lega Nord), die vielen ähnlich gearteten Parteien in den ehemals kommunistischen Staaten nicht zu vergessen. In einigen Ländern sind sie an der Regierung beteiligt, in anderen operieren sie am Rande der Macht, in jedem Fall aber bestimmen sie zunehmend die politische Agenda.
Das Wiedererwachen des Rechtspopulismus ist ein Phänomen, das nicht nur einen oder einige wenige europäische Staaten betrifft. Antiliberale Parteien der äußersten Rechten befinden sich überall in Europa auf dem Vormarsch, ob in Skandinavien (Fortschrittsparteien) oder in Italien (Lega Nord), die vielen ähnlich gearteten Parteien in den ehemals kommunistischen Staaten nicht zu vergessen. In einigen Ländern sind sie an der Regierung beteiligt, in anderen operieren sie am Rande der Macht, in jedem Fall aber bestimmen sie zunehmend die politische Agenda.
Angesichts des praktisch europaweiten Charakters dieses Phänomens sollten wir uns hüten, nur oberflächliche Ursachen am Werk zu sehen. Die neue extreme Rechte in Europa ist eine Antwort auf europäische und globale Entwicklungen, denen sich die Parteien der Mitte nicht gestellt haben. Zwar sind die von der populistischen Rechten vorgeschlagenen Lösungen nichts als demagogische Falschmünzerei, aber sie zeugen von einem deutlichen Bewusstsein davon, dass die Globalisierung auch in den reichsten Ländern negative Auswirkungen mit sich bringt. Wie in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ergreift die radikale Rechte die Initiative, weil sie begriffen hat, dass der Status quo unhaltbar ist.
In vieler Hinsicht unterscheidet sich der heutige Rechtsextremismus grundlegend von dem der Zwischenkriegszeit, doch nicht alle diese Unterschiede sind erfreulich. Die herrschende politische Wissenschaft deutet die extreme Rechte als politische Fehlentwicklung, die nur unter den Bedingungen einer wirtschaftlichen und politischen Krise auftreten könne. Diese Erklärung greift zu kurz. Die faschistischen und nationalsozialistischen Parteien der Zwischenkriegszeit nutzten die Schwäche der Demokratie in vielen europäischen Ländern aus. Heute jedoch, da die demokratischen Institutionen fest im Sattel sitzen, geht es den Parteien der äußersten Rechten nicht darum, die Demokratie auszuhebeln, sondern sie für ihre eigenen Ziele nutzbar zu machen. In der Zwischenkriegszeit wurde die extreme Rechte durch Arbeitslosigkeit und Hyperinflation an die Macht getragen. Heute prosperiert sie in Ländern mit niedriger Arbeitslosigkeit und geringer Inflation, in Ländern wie Österreich zum Beispiel, in denen nicht im Entferntesten von einer allgemeinen Wirtschaftskrise die Rede sein kann.
Aber es gibt noch andere Unterschiede. In der Zwischenkriegszeit vertrat die äußerste Rechte in Europa eine korporatistisch und protektionistisch orientierte Wirtschaftspolitik; heute orientiert sie sich ungeachtet aller länderspezifischen Varianten weitgehend am Neoliberalismus. Wie die Parteien der Mitte akzeptiert auch die extreme Rechte die Globalisierung als unausweichliche Entwicklung. Doch im Unterschied zur politischen Mitte hat sie begriffen, dass die Globalisierung nicht nur die Wirtschaft verändert, sondern die Gesellschaft insgesamt, und dies in einer Weise, die von vielen Menschen als unerfreulich und bedrohlich wahrgenommen wird.
Gerade der letztgenannte Sachverhalt scheint mir den politischen Erfolg der äußersten Rechten zu erklären. Die rechtspopulistischen Parteien wissen, dass der freie Waren- und Kapitalverkehr für einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung in Westeuropa fallende Löhne bedeutet. Anstatt aber Alternativen zur neoliberalen Wirtschaftspolitik vorzuschlagen, nehmen sie die Immigranten ins Visier, die in ihren Herkunftsländern vielfach selbst Opfer der Globalisierung wurden. Den Armen in den reichen Ländern erscheint die Massenzuwanderung als unmittelbar wahrnehmbare Globalisierung; in den Augen von Gruppen mit sinkendem Einkommen symbolisieren die Immigranten die mit der Globalisierung einhergehende Unsicherheit ihrer Lebensverhältnisse.
Indem die äußerste Rechte die Zuwanderungsproblematik mit der die Globalisierung begleitenden wirtschaftlichen Unsicherheit verknüpft, kann sie Vorurteile mobilisieren, die wie ein Echo auf die Zwischenkriegszeit wirken. Wir sollten nicht vergessen, dass mit Ausnahme der Liste Pim Fortuyns in den Niederlanden alle rechtsextremen Parteien Europas stillschweigend oder offen antisemitisch sind. Allgemeiner gefasst, huldigen sie mit ihrem Angriff auf äußere und innere Minderheiten einem Ausgrenzungs-Nationalismus, der beunruhigende Parallelen zur Politik der Zwanziger- und Dreißigerjahre aufweist. Der strategische Coup der äußersten Rechten besteht in der Verknüpfung von Nationalismus, Angst vor wirtschaftlicher Unsicherheit und der Entfremdung breiter Bevölkerungsschichten von den EU-Institutionen.
Bei der Umsetzung dieser Strategie wusste die extreme Rechte Missstände im derzeitigen Institutionengefüge der EU auszunutzen, die zum Teil grundsätzlicher Art sind. Die EU-Politik entbehrt weitgehend der demokratischen Rechenschaftspflicht. Obwohl dies andauernd ein Thema ist, wird nichts unternommen, das Demokratiedefizit zu beseitigen. Der Nationalstaat ist zwar eine höchst zwieschlächtige Angelegenheit, aber er wird wohl auch in absehbarer Zukunft die Obergrenze demokratischer Partizipation bilden. Eine Forcierung des europäischen Einigungsprozesses bedeutet unter diesen Umständen nichts anderes, als dass den demokratisch nicht legitimierten – und als nicht legitimiert wahrgenommenen – EU-Institutionen zusätzliche Machtbefugnisse übertragen werden. Diese Entwicklung kann dem Rechtsextremismus nur zugute kommen, da sie den Parteien der äußersten Rechten die gefährliche Gelegenheit bietet, sich als Verteidiger der Demokratie aufzuspielen.
Ähnliche Gefahren drohen der EU-Politik durch die Einbindung der postkommunistischen Länder. Dass die europäischen Institutionen sowohl vertieft als auch erweitert werden sollten, ist mittlerweile ein Gemeinplatz. Leider stellt diese gerade unter Mitte-Links-Politikern beliebte Forderung eine unmögliche Kombination dar. Es gibt unter den derzeitigen EU-Mitgliedern zu viele Interessenkonflikte, als dass die beiden Prozesse – Vertiefung und Erweiterung – gleich schnell Fortschritte machen könnten. Überdies ist die Osterweiterung mit hohen politischen Risiken verbunden. Der Beitritt zur EU verschafft den neuen Vollmitgliedern freien Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt. Wie wird es sich auf die Wahlergebnisse der rechtsextremen Parteien in Österreich, Deutschland, Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Dänemark auswirken, wenn Arbeitskräfte aus Osteuropa im freien Wettbewerb um die Arbeitsplätze in diesen Ländern konkurrieren dürfen?
Der Aufstieg der extremen Rechten in Europa in den vergangenen zehn Jahren resultiert zum Teil aus den neuen Gegebenheiten der Globalisierung, auf die bislang keine Partei eine angemessene Antwort gefunden hat. Meines Erachtens ist die Globalisierung letztendlich technologisch bedingt, und aus diesem Grund wird niemand sie aufhalten können. Auf der anderen Seite wirkt sie sozial und politisch destabilisierend, vor allem wenn sie durch eine neoliberale Wirtschaftspolitik verstärkt wird. Die Parteien der Mitte müssen diese Gefahren begreifen lernen, wenn sie in der Lage sein wollen, die Flut des Rechtspopulismus abzuwehren. Und sie müssen begreifen, welche politischen Risiken eine übermäßige Ausweitung der EU-Institutionen mit sich bringt. Solange sie sich darüber nicht im klaren sind, wird Europa weiterhin ein Nährboden des Rechtsextremismus bleiben.
Aus dem Englischen von Bodo Schulze
Tr@nsit online, Nr. 25/2003
Copyright © 2003 by the author, Transit – Europäische Revue & Project Syndicate.
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